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Das ist es!

„en passant. ruf & ehns enzyklopädie des schachspiels“

Von Maximilian Wischnewski

 

Natürlich raten wir hier nicht zu einem Buch voller Schachpartien. Oder doch? Ein kurzes Durchblättern könnte in die Irre führen. Es geht um zwei Typen, die Schachspielen können. Das heißt, sie kennen die Regeln und sie interessieren sich für die großen Spieler und deren Partien. Die beiden können auch schreiben. Also schreiben sie über Schach. Seit zwanzig Jahren, mit verteilten Rollen, jeder nach seinem Phänotyp: ehn nennt sich der eine (Klarname: Michael Ehn), ein ruhiger Bürger, und ruf (Klarname: Ernst Strouhal), der Nerven zeigt. Ihr Werk: „en passant. ruf & ehns enzyklopädie des schachspiels“ macht aus Schach nicht Philosophie und nicht das Spiel der Könige, sondern ein Gesamtkunstwerk, dem ein ästhetisch hochansprechendes Kunstbuch gebührt.

Die Einladung ins Buch spricht eine Schwarzweißphotographie aus. So dokumentiert man die Liebe zum Schach! Wer andere zu dieser animieren möchte, der kann diese sehr i9ntelligenten, umfassende Einleitungen und Zwischenkommentaren, die der neueren Geschichte des Schachs nachspüren. Im Mittelteil Schachspiele, am Ende verschiedenste Eröffnungen – wer wie wann. Großformatig, die Kolumnen als Zeitungsausschnitte eingedruckt – pro Jahr eine (die anderen –alles aus den letzten zwanzig Jahren- befinden sich auf der beigelegten CD).

Als Schachspieler ist es keine Frage: Dieses Buch zu besitzen, das ist es!

 

EN PASSANT - ruf & ehns Enzyklopädie des Schachspiels

Springer 2010

184 S., Euro 24,27

ISBN 978-3709103456

 

Hoch

 

 

Zur Veränderung fähige Leute

Susanne Fritzsche: "Die Mauer ist gefallen"  

Von Susan Müller

 

Was war die LPG? Was steckte hinter den Besatzungszonen? Und welcher Zusammenhang bestand zwischen diesen und der Teilung Deutschlands? Susanne Fritzsche erklärt nicht nur das, sondern berichtet auch über die Missstände in der ehemaligen DDR. Sie berichtet von dieser Seite, weil sie hier groß geworden ist. Der direkte Vergleich, wie z.B. zum westlichen Geheimdienst, fehlt ihr, sie erzählt von der ostdeutschen Staatssicherheit. Doch wir können ausführlich über geschichtliche Hintergründe der DDR nachlesen und dazulernen. Da Susanne Fritzsche zur Wende ja noch nicht sehr alt war, hat sie prima recherchiert und Erlebtes toll auf den Punkt gebracht.

Sie schreibt realistisch und ohne Gefühlsduselei. Belegt und untermauert mit ihren eigenen Erfahrungen ist dies wahrlich ein Geschichtsbuch der anderen Art, gut zu lesen und informativ. Dem westlichen Leser wird auffallen, dass es eine gänzlich andere Welt war, mit der Betroffene nicht unbedingt unzufrieden waren, weil sie ´s nicht anders kannte, aber geäußerter Unmut Sanktionen hatte.  So wird es der BRD´ler  bei sich nicht erlebt haben. Und dass die DDR dem Massenabgang vor 1963 einen Riegel vorschieben musste, aber auch 1989 nicht für alle die Flucht eine Lösung war, sondern zur Veränderung fähige Leute auch vor Ort bleiben mussten, kommt klasse zum Ausdruck.

Glaubhafter und unverschönter Lesestoff, ohne Vorwurf und Missmut.

 

Susanne Fritzsche:

"Die Mauer ist gefallen: Eine kleine Geschichte der DDR"

dtv 2010

152 Seiten, Euro 9,95

ISBN: 978-3423624190

 

Hoch

 

 

Privatparty auf der terra incognita

Odessa Transfer. Nachrichten vom schwarzen Meer

Von Miriam Schneider

 

Das durch und durch bereiste Europa hat noch weiße Flecken. Der Tourismus, diese zerstörungswütige Krake, hat noch nicht unter dem verlogenen Deckmäntelchen der Entdeckungslust jedes Eck zerstört. Denn man graust sich vor allzu Fremdem, also vor vermeintlich Gefährlichem. In solche Gegenden lassen sich Reisen per Buch unternehmen: „Odessa Transfer. Nachrichten vom Schwarzen Meer“ ist eines dieser poetischen Abenteuer.

Das Schwarze Meer wird in diesem Sammelband einmal umrundet, von Autoren, die dort waren oder dort leben.

Alles beginnt in Georgien. Der Schriftsteller Aka Morchiladze erzählt von Batumi „Eine Stadt riecht nach Flucht“. Geschichte vermittelt durch erzähltes Leben, das ergibt auch hier einen ersten lebendigen Eindruck von einem Flecken Erde, der schon viel gesehen hat. Was heute ist, das zeigen die wunderbaren Bilder des polnischen Photographen Andrzej Kramarz, die nach fast jedem Beitrag folgen und eine eigene Geschichte schildern (hervorragend, aber man suche nie den Bezug zu den Texten).

Istanbul und die türkische Schwarzmeerküste entfaltet neu die Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar, das allerdings sehr politisch und für ein Buch vielleicht auch etwas zu tagespolitisch. Doch man meint zu spüren, dass die Türkei nicht eine solche terra incognita ist wie andere Schwarzmeeranrainer. Und dass die Küste nicht so bekannt und nicht so zerstört ist auf türkischer Seite, das liegt an den vielen anderen Ferienzielen der Türkei; ganz profan.

Der Block der Sowjetstaaten ließ keine Debatten zu, was dieses Meer an Rechten haben sollte, immerhin eines, auf das der alte Ovid blickte. Mircea Cartarescu erzählt davon, in einem der stärksten Beiträge des Bandes, mit enormer literarischer Kraft: “Die Küste des Exils“. Sybille Lewitscharoff und Karl-Markus Gauß überzeugen mit einer herauszufühlenden etwas distanzierteren Perspektive. Überall, wo es nicht journalistisch wird, ist dieser Sammelband gut (und es wird nur drei-,viermal passagenweise journalistisch; da stimmen dann nicht immer alle Fakten.)

„Odessa Transfer“ ist bei Suhrkamp erschienen, und es ist eine Privatparty von Suhrkamp-Autoren. Da gäbe es für manche Städte und Länder berufenere Autoren, die aber sind bei anderen Verlagen. Das ist Pech. Aber beim überwiegenden Teil geht die Rechnung auf. Eine schöne literarische Rundreise.

 

Odessa Transfer: Nachrichten vom Schwarzen Meer

258 Seiten

Suhrkamp Verlag

€26,80

ISBN-13: 978-3518421178

 

Hoch

 

 

Zwei Stunden Frömmigkeit und Diesseitsfreude

Ken Follett: Die Tore der Welt

Von Maja Knorr

 

Ein spielgewordenes Buch, das ist meistens wie bei Verfilmungen: Eins von beidem ist besser.

Ich glaube nicht, dass man sich zu weit aus dem Fenster hängt, wenn man Ken Folletts billige Bestseller als schlechter denn dieses Spiel bezeichnet. „Die Tore der Welt“ ist zwar angelehnt daran, aber auch, wer Follett nicht anfasst, auch dem kann dieses Spiel Spaß machen (Es gibt schon einen Teil 1 des Spiels, der uns nicht zur Rezension vorliegt.)

Beim ersten Aufbauen braucht es Geduld. Denn wenn alle Karten und Pappspielmünzen herausgetrennt, sitzt man vor acht großformatigen Seiten Spielanleitung. Es ist nicht unkompliziert, das Spiel zu verstehen; man suche sich einen Tüftler in der Runde. Die anderen können derweil Karten lesen, von denen sie lange nicht wissen, wofür man sie hat. Ein Probespiel tut not – dann ist klar: Es geht um eine Stadt, die restauriert werden will, um Getreide, Steine, Holz zu verdienen. Auch Frömmigkeit muss man sich verdienen! Das Spiel soll schließlich eine Zeitreise ins 14. Jahrhundert suggerieren. Die Spieler (ab 12 Jahren) reisen durch vier Kapitel; hat man das eine geschafft, darf man zum nächsten; na, wie beim echten Lesen. Karten werden gezogen, deren Anweisungen gefolgt, und anderes wird sich erwürfelt. Zwei Stunden Spielzeit – zwei gute Stunden!

Ein intelligentes Spiel für Leute, die ihre Zeit nicht nur vor dem Computer verspielen, sondern auch noch mal mit Menschen aus Fleisch und Blut zusammen fiebern wollen. Und können, mit „Die Tore der Welt“.

 

Rieneck, Michael: Die Tore der Welt

Nach dem Roman von Ken Follett

Kosmos Verlag

Spieldauer ca. 160 min.

Von 2-4 Personen

ASIN B002BJD4TW

Ab 12

 

Hoch

 

 

Als wir Detektive waren

Das „Yps“-Heft kehrt zurück. Ein bisschen wenigstens.

Von Jan Fischer

 

Die Yps-Hefte sind so dermaßen 90er, dass – im Laufe der Recherche für diesen Text – die große Überraschung war, dass es sie seit 1975 gab, ihre große Zeit Ende der 70er, Anfang der 80er hatten, und von da aus ging es stetig bergab, bis sie 1999 eingestellt wurden. Die Geschichte der Yps-Hefte ist eine Geschichte, die man persönlich erzählen muss, man kommt nicht drumrum, aber das schöne – und bemerkenswerte – an Yps ist, dass das Heft mit seinen Gimmicks eine kollektive Erfahrung ist, irgendwo in der Schublade von Wetten dass..? oder der Disney Club. 

Yps ist für mich mit den 90ern verknüpft, weil ich es da entdeckte. Ich bin 1983 geboren, und als ich, es müsste 1992 oder so gewesen sein, meine erstes Yps-Heft in den Händen hielt, war ich genau in der immer angepeilten Zielgruppe präpubertierender Jungs kurz vor der Bravo. In dieser Zeit war ich meistens ein Detektiv, einmal untersuchte ich zusammen mit meinem besten Freund den Fall eines an unsere Schulwand gesprühten Hakenkreuzes mit Hilfe der Yps-Detektiv-Lupe, und ich bin sicher, die Sprayer hätten vor Angst gezittert, wären wir ihnen auf die Spur gekommen und hätten wir ihnen unsere Yps-Detektivausweise gezeigt. Nun ja, wer sagt, dass die Kindheit ungefährlich ist. Wir waren nun einmal unerschrockene Detektive.

So eine Geschichte hat jeder zu erzählen, der Yps kennt: Die Macht dieser kollektiven Erfahrung, die ja theoretisch lange genug dauerte, dass die Eltern sie an die Kinder weitergeben konnten, ist noch nicht einmal konstruiert: Die Berichterstattung über die aktuelle Neuauflage der Urzeitkrebse und zweier weiterer klassischer Gimmicks als Iphone-App zeigt das ganz wunderbar. Kaum ein Blog, kaum eine Zeitung, die ohne eine solche Geschichte auskommt. Auch deshalb muss die Geschichte von Yps persönlich erzählt werden: Weil jeder seine kleine Geschichte hat.

2006 gab es schon einmal einen Versuch, Yps wiederzubeleben. Nicht mehr mehr als wöchentliches, sondern 14tägiges Heft, mit einer groß angelegten Medienkampagne, in der wiederum Prominente wie Mario Barth ihre Yps-Geschichten erzählten. Der Ehapa-Verlag versuchte dem ganzen einen neuen Dreh zu geben: Wohl wissend, dass die Generation der 00er Jahre – zumindest aus Yps-Sicht – eine verlorene Generation war, entschied man sich für eine Nostalgie-Kampagne, und wählte als erstes Gimmick der Neuauflage ein ironisches: Die Gelddruckmaschine. Das ganze scheiterte natürlich furios innerhalb von drei Ausgaben.

Die nächste Neuauflage nun könnte funktionieren: Auf der Yps-Website gibt es ein paar Comics zum nostalgischen Herumklicken, es gibt ein Spiel, drei iPhone-Apps werden in den nächsten Wochen sukzessive veröffentlicht. Das Medienecho ist nicht enorm, aber doch beachtlich – es ist sogar in die Printpresse vorgedrungen – wenn man bedenkt, dass die iPhone-App zu den Urzeitkrebsen beispielsweise eigentlich nur ein Nostalgie-Tamagotchi ist, nicht schlecht, aber nichts großartiges oder besonderes: Eine Anwendung unter Tausenden. Es geht auch hier nur um die Geschichte, einmal die Yps-Geschichte: Die Urzeitkrebse waren 1975 das erste Gimmick, und sie waren auch das beliebteste, man sollte vielleicht sagen: Das legendärste. Es geht auch wieder um die persönliche Geschichte: Die Kommentarfunktion der Blogs, über die die iPhone-App berichten sind dick gefüllt mit Geschichten, die Facebook und Twitter-Seiten von Yps ebenso, der Comic-Zeichner Flix, auch so ein Spezialist fürs Aufspüren kollektiver Erfahrungen, hat seine eigene Urzeitkrebse-Geschichte dem Blog der Yps-Website zur Verfügung gestellt.

Dass die Dichte der Worte aus dem Internetbereich im letzten Absatz zunimmt ist kein Zufall. In den letzten Monate setzte der Ehapa-Verlag verstärkt auf Internet-Kommunikation, ein neues, verbessertes yps.de ging an den Start. Der Erfolg kann sich sehen lassen: Durch die Blogwelt  zieht das Urzeitkrebsegeschichtenbeben, die Zahl der Twitter- und Facebook-Follower wächst täglich. Der Erfolg hat seinen Grund, und diese verstärkte Netz-Aktivität rund um Yps ist eine kluge Wendung von Ehapa: Die Yps-Generation ist eine Generation am Bruchpunkt der Medien: Es ist die erste Generation, die mit dem Computer aufgewachsen ist, eine Mischung aus netizens, und – eine Generation zuvor - den Ureinwohnern des Netzes. Man bringt diese Leute vielleicht nicht dazu, sich aus Nostalgiegründen ein Heft zu kaufen, dass schon längst tot ist. Aber man bringt sie sich für die Geschichten ihrer Kindheit zu begeistern. Nichts einfacher als das.

 

Hoch

 

     
 

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